Zahlen/Daten/Fakten
Schätzungsweise
90-95%
der registriert arbeitenden Sexdienstleister*innen in Österreich sind
Migrant*innen.
Die Möglichkeit, legal und selbständig in der Sexarbeit tätig zu sein, hängt für diese Personen zunächst von der Frage ab, ob sie das Recht auf Aufenthalt und selbständige Tätigkeit in Österreich haben. Dieses Recht steht Staatsbürger*innen aus EWR-Ländern grundsätzlich zu, für Drittstaatsangehörige hingegen stellt sich die Rechtslage erheblich schwieriger dar.
Die momentane Datenerfassung und Abfragemöglichkeiten erlauben nur sehr grobe Aussagen über den österreichischen Markt, auch hinsichtlich des legalen Marktes.
In Wien und Burgenland besteht für Sexdienstleiter*innen persönliche Meldepflicht, in anderen Bundesländern müssen die Bordellbetreiber*innen der Behörde bestimmte Daten melden. Die Erfassung der Meldedaten erfolgt also weder vereinheitlicht und zentral, noch durchgehend elektronisch. Entsprechend hängt die Aussagekraft von Abfragen nicht nur von den tatsächlich erfassten Daten, sondern auch von der Rückmeldungsbereitschaft der einzelnen Behörden ab.
Weiters ist zu beachten, dass es teilweise zu Mehrfachzählungen kommt - vor allem dann, wenn Sexdienstleister*innen in mehreren Bundesländern arbeiten. Und dass Sexdienstleister*innen teilweise länger erfasst bleiben, als sie tatsächlich in Österreich arbeiten.
Wie häufig eine Datenbereinigung durch die einzelnen Behörden erfolgt, ist nicht bekannt. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) führt im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Laboruntersuchungen der Kontrolluntersuchungen durch. Aufgrund der eingegangenen Proben lässt sich die Anzahl der Sexdienstleister*nnen auf 5000 – 6000 Personen für 2017 schätzen.
Bordellgenehmigungen
Die grundsätzliche Zuständigkeit für Bordellgenehmigungen liegt bei den Bürgermeister*innen, es sei denn, diese wurde durch Verordnung der Landesregierung an die Bezirksverwaltungsbehörde/Landespolizeidirektion übertragen oder es wurde landesgesetzlich eine andere Behörde für zuständig erklärt. Auch Bordellgenehmigungen werden nicht landesweit zentral erfasst. Ihre einmal jährliche Zählung im Rahmen der Erstellung des Sicherheitsberichtes ist allerdings zuverlässiger als die ebenfalls erfolgende Schätzung der gemeldeten Sexdienstleister*innen (siehe dazu oben).
Bundesweite Erhebungen zu weiterreichenden Eckdaten, wie Art und Größe der Betriebe, sind nicht vorhanden.
Durch eine Verschärfung der Schutzzonenregelung in
Kärnten mit Ende 2012 hat sich die Zahl der bewilligten Betriebe regional - insbesondere im Raum Villach - erheblich verringert, hier vor allem die Zahl der kleineren Betriebe. Ein zwischenzeitlich deutlicher Anstieg von illegaler Wohnungsprostitution wird von polizeilicher Seite unter anderem darauf zurückgeführt. Rückmeldungen von Sexdienstleister*innen vermitteln überdies den Eindruck, dass vor allem die verbliebenen Großbetriebe den Sexdienstleister*innen auf Grund geringerer Alternativen leichter nachteilige Bedingungen diktieren können.
Der Anstieg an Bordellbetrieben in
Wien zwischen den Jahren 2007 und 2010 korreliert mit einem erhöhten Zustrom von Sexdienstleister*innen aus den neuen EU-Mitgliedsländern. Mit der Einführung eines Genehmigungsverfahrens im Jahr 2011 und dessen sukzessiver Umsetzung kam es aber zu einer deutlichen Reduzierung.
Nach Erlass des Wiener Prostitutionsgesetzes 2011 und Einführung eines Genehmigungsverfahrens für Bordellbetriebe wurden einerseits Kontrollen massiv erhöht und illegale Prostitutionslokale (Straßenlokale) praktisch allesamt geschlossen. Andererseits konnten auch zahlreiche vormals legal bestehende Betriebe die erhöhten Anforderungen nicht mehr erfüllen und mussten schließen. Damit ist der deutliche Rückgang zwischen 2010 und 2013 zu erklären.
Bis November 2011 gab es in Wien für Bordelle weder eine Anzeige- noch eine Genehmigungspflicht. Angesichts der Größe von Wien und der damit verbundenen geringeren Transparenz im Vergleich zu kleineren Städten oder gar dem ländlichen Raum, ist es für die Exekutive auch entsprechend schwieriger, einen breiten Einblick in den Markt zu bekommen.
Zwischen 2013 und 2017 kam es schließlich wieder zu zahlreichen Neubewilligungen. Auch mit Blick auf die Daten betreffend Sexdienstleister*innen hat sich die Größe des Marktes im Zeitraum 2010-2017 aber wahrscheinlich kaum wesentlich verändert. Die Veränderungen sind vor allem auf stärkere Verschiebung vom illegalen in den legalen Bereich zurück zu führen.
Dennoch gibt es in Wien auch einen praktisch relevanten Anteil an illegalen Betrieben - vorwiegend illegale Wohnungsbordelle.
Vorarlberg nimmt eine Sonderstellung ein, weil es dort kein einziges zugelassenes Bordell gibt, aber auch
Tirol hat konstant nur circa acht bis zehn genehmigte Betriebe. Beiden Bundesländern ist gleich, dass sie im Vergleich zu den östlichen Bundesländern eine hohe Zahl an Go-Go-Bars haben, insbesondere Tirol.
Der Trend der letzten Jahre zur Eröffnung bzw. Umwidmung von bestehenden klassischen Bordellbetrieben mit Barbetrieb in Laufhäuser und Sauna-Clubs ohne Barbetrieb hält nach wie vor an. Überdies lässt sich regional, wie in Kärnten, eine Tendenz zu Großbetrieben, mit finanzkräftigen Investor*innen im Hintergrund, erkennen. In Wien jedoch, wo seit Einführung des Genehmigungsverfahrens eine genauere Analyse möglich ist, haben ca. 80% der Betriebe maximal 5 Zimmer.
Zur Herkunft der Bordellbetreiber*innen liegen keine österreichweiten Informationen vor und daher auch nicht zur Frage, ob sich der Anteil österreichischer Bordellinhaber*innen insgesamt erheblich verändert hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass etwa 60% der Betriebsinhaber*innen in Wien Frauen sind. Hier besteht bei einigen Bordellbetrieben allerdings der Verdacht, dass die als Betreiber*innen aufscheinenden Sexdienstleister*innen von den „wahren wirtschaftlichen Eigentümer*innen“ lediglich als verantwortliche Person eingesetzt wurden, um beispielsweise Verwaltungsstrafen für die „wahren wirtschaftlichen Eigentümer*innen“ zu umgehen.
Legalen Straßenstrich von einer erheblichen Größe gibt es derzeit nur in Wien. Bis zu dessen örtlicher Einschränkung durch das Wiener Prostitutionsgesetz im November 2011 hatte der Straßenstrich in Wien - inklusive des illegalen Anteils - ungefähr eine Größe von 150 bis 250 Sexdienstleister*innen. Die Größe hat sich aber nach Wahrnehmung von Polizei und Beratungsstellen seit 2011 erheblich reduziert.
Illegalen Straßenstrich gibt es in einigen Städten, etwa Wien, Innsbruck und Salzburg.
Die Sicherheitsberichte von 2013 bis 2017 zeigen eine relativ konstante bundesweite Gesamtzahl von circa 7.000 registrierten Sexdienstleister*innen auf. Diese relativ gleichbleibende Gesamtzahl, der merkbare Preisverfall und gestiegene Konkurrenzdruck unter Sexdienstleister*innen sprechen jedenfalls dafür, dass die Nachfrage nicht steigt und eine obere Grenze erreicht zu sein scheint.
Daten über die Anzahl der durchgeführten Pflichtuntersuchung, die seit 2017 ausgewertet werden können, ergeben einen niedrigeren Wert von etwa 5000-6000 Einzelpersonen, die sich 2017 der Pflichtuntersuchung unterzogen haben. Dies spricht nicht für einen Rückgang der absoluten Zahlen, sondern dürfte diese realistischer abbilden, da bei den Daten über durchgeführte Untersuchungen keine „Karteileichen“ enthalten sind. Weiterhin arbeiten in allen Bundesländern kaum österreichische Sexdienstleister*innen - der Anteil wird für den illegalen Bereich etwas höher geschätzt, als für den legalen Bereich. Ungefähr 95% der Sexdienstleister*innen im legalen Bereich sind Migrant*innen, davon die Mehrzahl aus den neuen EU-Ländern, insbesondere aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn.
Bundeslandspezifische Zahlen
Die 2013 eingeflossenen, auf Bundesländer heruntergebrochenen Daten basieren auf einer Abfrage landesspezifischer Zahlen der AG Prostitution, jene für 2017 auf Daten des Bundeskriminalamtes.
Zu den bundeslandspezifischen Zahlen sind folgende weiteren Erläuterungen möglich:
Die erkennbaren Veränderungen liegen zum Teil an der ungenauen Datenerfassung. Manche Schwankungen können aber mit konkreten Veränderungen oder aber der verwendeten Datenquelle (Wien) erklärt werden.
Da es in Vorarlberg kein genehmigtes Bordell gibt und eine legale Tätigkeit als Sexarbeiter*in nicht möglich ist, gibt es in Vorarlberg auch keine registrierten Sexdienstleister*innen. Der Anstieg in Kärnten zwischen 2007 und 2013 ist vor allem auf eine Zunahme von Großbordellen nahe der italienischen Grenze zurückzuführen, die spezifisch italienische Kund*innen ansprechen. Mittlerweile ist wieder ein leichter Rückgang zu verzeichnen.
Der besonders deutliche Anstieg in Wien zwischen 2007 und 2013 muss zunächst damit relativiert werden, dass in dieser Grafik für Wien ausschließlich die polizeilichen Registrierungen herangezogen wurden und nicht die aussagekräftigeren Zahlen zur - damals noch wöchentlichen - Pflichtuntersuchung. So wurden Anfang 2015 in Wien wöchentlich im Durchschnitt etwa 1.500 Pflichtuntersuchungen durchgeführt, aber es gab mehr als doppelt so viele polizeiliche Meldungen. Dabei ist zu bedenken, dass eine erhebliche Anzahl von Sexdienstleister*innen, die sich in Wien der Pflichtuntersuchung unterziehen, tatsächlich aber im Burgenland oder in Niederösterreich arbeitet.
Einen von den Polizeibehörden tatsächlich wahrgenommenen erheblichen Anstieg von Sexdienstleister*innen in Wien gab es vor allem in den Jahren nach der Ostöffnung. Weitere Anstiege bis heute dürften aber vor allem auf verbesserte Aufenthalts- und Arbeitsrechte für Bürger*innen aus den neuen EU-Staaten zurückzuführen sein, die es (auch) Sexdienstleister*innen erleichterten, legal zu arbeiten und in Folge zu mehr Meldungen führten. Ein tatsächlicher weiterer Anstieg dürfte nicht dahinter stehen. Dafür spricht auch, dass die Zahl der Bordellbetriebe in derselben Zeit nicht weiter gestiegen, sondern im Gegenteil gesunken ist - ebenso wie der Straßenstrich.
Der illegale Markt
Hinsichtlich der Größe des illegalen Marktes lassen sich nur Spekulationen anstellen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass „illegal“ Mehrfaches bedeuten kann. Teil des illegalen Marktes sind alle Bordelle ohne entsprechende Genehmigung sowie alle Sexdienstleister*innen, die in einem illegalen Bordell, auf einem illegalen Straßenstrich oder ohne die notwendige Pflichtuntersuchung arbeiten. Illegale Sexarbeit bedeutet somit nicht automatisch Zwangsprostitution.
Der österreichische Markt
Das Verhältnis zwischen Bevölkerungszahl und in diesem Bundesland registrierten Sexdienstleister*innen könnte zwar eine relevante Bezugsgröße dafür sein, wieviel „Platz“ der illegale Markt ungefähr einnehmen könnte. Dies allerdings mit vielen Einschränkungen.
Es gibt keine Erhebungen, ob die aktive Nachfrage innerhalb der Bevölkerung durchschnittlich gleich groß ist, oder regionale Unterschiede bestehen. Auch ist Österreich kein in sich geschlossener Markt. Insbesondere in Grenzregionen - vor allem zu Tschechien, Deutschland und der Schweiz - suchen österreichische Kunden auch Bordelle oder den Straßenstrich über der Grenze auf. Gleiches gilt umgekehrt - so werden zum Beispiel die Großbordelle in der Kärntner Grenzregion überwiegend von italienischen Kunden besucht.
Den größten Anteil am illegalen Markt nehmen Escort Services und Wohnungsbordelle ein. Hier handelt es sich um einen besonders schwer einsichtigen Bereich, da die Anwerbung hauptsächlich über das Internet erfolgt und die Ausübung regelmäßig in Privatwohnungen oder Hotels stattfindet. Ebenso schwer einsichtig sind Hausbesuche, die in einigen Bundesländern ebenfalls
verboten sind. Auch Go-Go-Bars, Massagesalons und sogenannte "ethnische Kaffeehäuser" sind oftmals verdeckte Bordellbetriebe.
Illegalen Straßenstrich gibt es derzeit vor allem in Wien, Innsbruck und Salzburg, jedoch nur in sehr geringem Ausmaß.
Eine seriöse Schätzung des illegalen Marktes (inkl. Straßenstrich) ist nicht möglich. Polizei und Beratungsstellen sind sich aber einig, dass er in der Stadt größer als am Land ist und jedenfalls deutlich kleiner, als der legale Markt.
(Quelle: 3. Bericht der AG Prostitution: Regelung der Prostitution in Österreich, Mai 2018)